Liebe GuGs,

 

am 27. Juni 2020 tagte der Bundesausschuss Corona-bedingt in seiner ersten Videokonferenz. Unsere Delegation nahm vollständig Teil. Im Mittelpunkt stand der Austausch zur Lage von Partei und Gesellschaft.

 

Als Input stellte Bernd Riexinger dasgemeinsame Strategiepapier der Parteivorsitzenden, des Bundesgeschäftsführers sowie des Schatzmeisters vor. Es besteht im Wesentlichen aus der Forderung nach einem Green New Deal, sowie um das Werben einer RR2-Regierungsbeteiligung. Dieses Papier soll Grundlage für den kommenden Leitantrag des nächsten Bundesparteitages werden. Bisher wurde es sehr umstritten diskutiert und weder im Parteivorstand noch im Bundesausschuss zur Abstimmung gestellt. Bernd Riexinger und Jörg Schindler verteidigten die Umfragewert als gar nicht mal schlecht. Kampagnen zu Pflege, Mietendeckel, Rassismus, Klimaschutz etc. Insgesamt liefen die Beiträge von Riexinger und Schindler auf ein „Weiter so!“ hinaus. Obwohl wir die krachende Niederlage bei den Landtagswahlen und bei der Europawahl hatten – damals noch ohne Corona. Man müsse zudem immer auf die vorhandenen Bewegungen schauen, um sich dort anzuhängen. Und „Friedensbewegung“ sei da „grade mal leider nicht im Angebot“, sondern andere Themen wie Elektromobilität und der Rassismus bei der Polizei.

 

Im starken Kontrast dazu das Positionspapier des Ältestenrates, welches durch eine scharfe Analyse der derzeitigen Lage nachholt, sowie Verbesserungsmöglichkeiten und Konsequenzen aus der derzeitigen Orientierungslosigkeit der Partei herausarbeitet. Es macht deutlich, wie erheblich der wirtschaftliche Einschnitt weltweit ist, wie sehr wir deshalb vor schärferen Verteilungskämpfen sowie einer wachsenden Kriegsgefahr stehen und wie erheblich der Schaden ist, wenn die Partei keine passenden Antworten findet. Eine bloße Reparatur des Kapitalismus, reiche jedenfalls nicht aus. Hier muss die Partei, der Tiefe der Krise entsprechend, Anspruch auf gesellschaftliche Veränderung erheben. Hans Modrow machte als Sprecher des Ältestenrats darauf aufmerksam, wie entscheidend eine gute Führung auf der Bundesebene ist. Das Führen hat sie weder während der Corona-Pandemie geschafft, noch davor. Nach wie vor gibt es keine umfassende gesellschaftliche Analyse (insbesondere in der Friedensfrage), die Orientierung für die Zukunft geben könnte, obwohl sie in mehreren BA-Treffen und auch bei der Strategiekonferenz in Kassel vom Parteivorstand eingefordert und versprochen wurde. Diese Planlosigkeit kritisierte auch das Präsidium des Bundesausschusses in seinem Bericht scharf. Artur Pech schloss für das Präsidium mit dem Satz „Es wird versucht eine Behandlung zu finden, ohne Diagnose.“

 

Ingar Solty war als Vertreter der RLS als Gast zu der Debatte hinzugeladen und hielt ebenfalls einen Input. Er begrüßte das inhaltliche Anliegen Riexingers die soziale sowie ökologische Frage mehr zusammenzudenken, insbesondere in Bezug auf die Eigentumsfrage. Gleichzeitig betonte er die Bedeutung der Friedensfrage, indem er deutlich machte das er den Konflikt zwischen USA und China für eine Jahrhundertaufgabe hält. DIE LINKE müsse ihr Verhältnis zu China im Sinne einer friedlichen Koexistenz klären. In seinem eingereichten Strategiepapier kritisierte er zudem die Orientierung auf R2G. Diese sei ohne Plan und sowieso nicht realistisch bei dem derzeitigen Zustand von SPD und Grüne. Für die Partei sprach er für eine größere Einheit von sozialen und antirassistischen Kämpfen, mehr Zuspitzung an der Eigentumsfrage und einem klassenbewussteren Auftreten im Sinne Sanders und Corbyn“.

 

Für die Bundestagsfraktion berichtete Diether Dehm. Dieser machte auf bevorstehende Wahlen und bisherige Versäumnisse aufmerksam. Krieg und Frieden müssen präsenter sein, wie am Beispiel der Natopräsenz an der russischen Grenze, egal ob es dazu ausreichend "Bewegung" gibt oder nicht. Themen und Schwerpunkte müssen selbstbewußter gesetzt werden und nicht den Bewegungen alleine überlassen werden. Weitere Themen müssten sein Privatisierung des Gesundheitssystems, die Eigentumsfrage und Gemeineigentum werden. Der Kapitalismus als Ursache muss dabei immer benannt werden. Dagegen, dass Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler etwas zweideutig euphorisch gelobt hatte, „endlich„ habe es eine Gemeinsamkeit zwischen der Fraktionsspitze und der Parteispitze für die Evakuierung von Flüchtlingslagern gegeben, empörte sich Diether Dehm: „Dies ist ein „Pappkamerad“! Niemand in der Bundestagsfraktionen, keine Sahra Wagenknecht, kein Andrej Hunko noch er selbst habe sich nicht ausdrücklich für die Evakuierung der menschenwürdigen Flüchtlingslager ausgesprochen. Diether selbst habe ein Spendenkonto für Lesbos mit Konstantin Wecker, Claudia Roth ua initiiert. Natürlich gebe es Differenzen in der Migrationspolitik, aber keinerlei unterschiedliche Meinungen in Bezug auf diese schrecklichen Zustände in diesen Flüchtlingslagern.“

 

Die Debatteder Mitglieder war von hoher Ernsthaftigkeit und einem sehr regen Austausch geprägt. Besonders störten sich die Mitglieder des Bundesausschusses an der fehlenden gesellschaftlichen Analyse der Parteiführung, der Konsequenzenlosigkeit aus der Strategietagung in Kassel, die Mutlosigkeit sich als Partei mehr zuzutrauen sowie an der Orientierung auf Regierungsbeteiligung. Gefordert wurde dagegen vor allem mehr Mut, Engagement und Initiative in der Friedens- und Systemfrage, auch und vor allem in den Bewegungen. Es dominierte die Frage, wie man weitreichende Konsequenzen aus der Pandemie zieht, z.B. bei Themen wie Stärkung der öffentlichen Gesundheit (besonders Pflege), Schuldenbremse, Verstaatlichung der Lufthansa, bessere Bildung, Solidarität mit Geflüchteten in Lagern etc. Dafür müsse auch die Partei wieder mehr aus dem „Lockdown“ kommen, um politisch handlungsfähiger zu werden. In diesem Sinne hat der Bundesausschuss beschlossen, die Septembersitzung in Präsenz abzuhalten.

 

Der Bundesausschuss hat sich in seiner konstituierenden Sitzung zudem zur Aufgabe gemacht, neben den richtigen Fragen, auch die richtigen Antworten auf unsere gesellschaftlichen Herausforderungen vorzugeben. In einer gemeinsamen Initiative, welche nicht unwesentlich auf Genoss_innen aus Niedersachsen und Hamburg zurückging, haben wir in großer Mehrheit (43/7/5) den Antrag "Was uns fehlt? Gesundheit und Gemeineigentum!" beschließen können. Wir denken der Antrag liefert die passenden Antworten auf die Coronapandemie, indem er für internationale Solidarität, Umverteilung, Demokratisierung des Eigentums und großen staatlichen Investitionen für das Allgemeinwohl, die richtigen Konsequenzen aus der Krise zieht.

 

BA-Präsidiumssprecher Artur Pech stellte den Antrag vor, den nächsten BA in Wuppertal durchzuführen - aus Anlaß des 200. Geburtstag von Friedrich Engels. Die Veranstaltung soll 2 Tage umfassen und auch den Besuch von ein oder zwei historisch wertschätzenden Gedenkstätten Friedrich Engels beinhalten. Diskutiert wurde das Für und Wider bzgl. der Anreise, die sich, so die Einschätzung einiger, schwieriger gestalten würde, als nach Berlin. Leider wurde dieser Ort mit 25:25 und einigen Enthaltungen abgelehnt, aber die inhaltliche Engels-Ehrung wurde mit Mehrheit beschlossen, so dass wir auf dem nächsten Bundesausschuss, als Engels Werken schöpfen können, um so besser die drängenden Fragen unserer Partei zu diskutieren.

 

Den Abschluss machte eine Solidaritätserklärung anlässlich der antikommunistischen Angriffe gegen Barbara Borchardt, welche in Mecklenburg-Vorpommern als erste LINKE Verfassungsrichterin ernannt wurde. Barbara bedankte sich für die Solidarität und bat darum den Antrag nicht zu behandeln, damit das Thema nicht nochmal neu in die Öffentlichkeit kommt. Der Bundesausschuss folgte ihrem Wunsch. Willi van Ooyen erklärte als Präsidiumsmitglied stellv. für den Bundesausschuss die volle Solidarität und wünschte ihr in unserem Namen viel Kraft für die weiteren Auseinandersetzungen.

 Mit solidarischen Grüßen

Thorben Peters, Rita Krüger, Stephan Marquardt, Sabine Lösing, Linus Petersen und Diether Dehm

    Ein Positionspapier des Ältestenrates zur weiteren Vorbereitung des Erfurter Parteitages

     

    Die mit der Corona-Pandemie entstandene Situation machte es erforderlich, den Bundesparteitag auf den 30. Oktober 2020 bis 1. November 2020 zu verschieben.

    Wir alle hoffen und wünschen, dass eine weitere Verlegung nicht eintreten muss.

    Die angelaufenen Maßnahmen und Bemühungen zur Vorbereitung und zur Gestaltung des Parteitages sind auf gute Bedingungen für seinen Verlauf und den Beratungen gerichtet. Allen daran Beteiligten herzlichen Dank!

    Mit den vielfältigen krisenhaften Erscheinungen in der Gesellschaft, dem Gesundheitswesen, der Wirtschaft und der Politik, hervorgerufen und offengelegt durch die Corona-Pandemie sind völlig neue Herausforderungen weltweit und auch in Deutschland entstanden.

    Die notwendige Verschiebung des Parteitages bringt Zwänge bei der Einhaltung des Statuts der Partei, für seine inhaltlichen Beratungen, seine Beschlussfassung und die demokratische Vorbereitung und Durchführung seiner Wahlen.

    Der Parteitag wird zeitlich näher zu der Bundestagswahl 2021 stattfinden, die stark im Zeichen des Verlaufs der Auswirkungen der Corona-Pandemie stehen werden.

    Trotz der Einschränkungen dieser Zeit haben Mitglieder und Vertreter der Partei DIE LINKE zum 75. Jahrestag der Befreiung an den Gräbern und Denkmalen der Alliiertenstreitkräfte den Befreiern des deutschen Volkes sowie der Völker Europas vom Joch des Faschismus gedacht.

    Der Ältestenrat und seine Mitglieder haben in Berlin den Soldaten der Roten Armee und den Völkern der Sowjetunion, die in ihren Reihen kämpften Dank und Ehre erwiesen. Wenn der Präsident der Bundesrepublik Deutschland in einer Rede am 8. Mai in Berlin die Worte „Rote Armee“ nicht über seine Lippen bringt ist das nicht geschichtliches Unwissen sondern nur als politische Absicht mit gefährlichen Zügen in einer Zeit, die Achtung und Vertrauensbildung erfordert, zu verstehen.

     

    Der Bundesausschuss und der Ältestenrat haben ihre Bemühungen für eine Strategiedebatte fortgesetzt.

    Zur Kasseler Konferenz lagen weit über 500 Seiten Diskussionspapier vor und hunderte Mitglieder nahmen an der Basis und auf der Konferenz daran teil.

    Was aktuell geschieht, spricht kaum für dessen Beachtung.

    Am 16. Mai 2020 auf der Video-Beratung des Parteivorstandes sollte die Strategiefrage als TOP 5 beraten werden. Die vorliegende Informationsvorlage wurde dann unter vielfältigen anderen aktuellen Fragen diskutiert.

    Was nun wirklich gilt und geschehen soll, ist nach der Beratung offen.

    Sind die Vorschläge zur strategischen Positionierung der LINKEN von Katja Kipping, Bernd Riexinger, Harald Wolf und Jörg Schindler, die gegenwärtige Gruppe der Spitzenfunktionäre der Partei, ein Bewerbungspapier für die Wahlen auf dem Parteitag oder stellt der Parteivorstand es als sein Papier in den Mittelpunkt einer Parteidiskussion zur Vorbereitung und Beschlussfassung als demokratischen Prozess für die Entscheidungsfindung auf dem Parteitag?

     

    Die Aufmerksamkeit für das Thema Europa sollte auch im Prozess der Vorbereitung und der Beratungen des Parteitages entsprechende Aufmerksamkeit finden. Bei den Entscheidungen und politischen Auseinandersetzungen haben auf der Ebene der EU die Linksparteien mit ihrem politischen Gewicht leider keine Bedeutung.

     

    Der Ältestenrat wird sich im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten und seiner Rechenschaftspflicht bemühen, an der weiteren Vorbereitung des Parteitages mitzuwirken.

     

    1. Sind wir Partei oder wollen wir Bewegung sein?

    Nur als Partei können wir im Bundestag und den Landtagen als politische Kraft und als Vertreterin von Interessen breiterer Wählerschichten sein.

    Mit welchem „Gebrauchswert“ für die soziale Gerechtigkeit, für Frieden und gegen Krieg, für Demokratie, mit alternativen Positionen gegen aktuelle Verhältnisse und für einen Wechsel der gesellschaftlichen Verhältnisse hin zum demokratischen Sozialismus oder zur Verbesserung des gegenwärtigen Kapitalismus treten wir in Erscheinung? Das erfordert eine reale Analyse der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft, der Kraft und des Platzes der linken Kräfte als Partei in der Gegenwart und in Bewegungen.

    Das Statut bestimmt das pluralistische Wesen unserer Partei. Es kann uns als Raum für Vielfältigkeit in der Suche nach Zielstellung stärken und es kann durch die Vertiefung von Gegensätzen große Einschränkungen in der Handlungsfähigkeit bringen.

    Mit dem Parteitag bietet sich die Chance, den Kurs auf Stärkung der Partei zu nehmen.

     

    2. Die Situation in den Gesellschaftsverhältnissen wird mit der Corona-Krise und ihren allseitigen Wirkungen eine andere sein.

    Das Gesellschaftssystem wird sich bei den Bundestagswahlen 2021 in einem Prozess der Veränderungen befinden.

    Akkumulationskrisen gehören seit jeher zum Erscheinungsbild des Kapitalismus. Die gegenwärtige Krise ist einzigartig: Nach einer fatalen Phase des Zögerns ordneten Regierungen auf der ganzen Welt umfassende Lockdowns an, um die tödliche Pandemie einzudämmen. Die auf Wachstum ausgerichtete Weltwirtschaft wurde schlagartig abgewürgt, sodass die weltweite Wirtschaftsleistung 2020 zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg schrumpfen wird. Nicht nur Europa und die USA wurden zum Stillstand gebracht, sondern auch boomende Schwellenländer in Asien, während Rohstoffexporteure in Lateinamerika und Subsahara-Afrika vor zusammenbrechenden Absatzmärkten stehen.

    Noch nie zuvor hat die kapitalistische Weltwirtschaft auf einen Schlag einen Schock dieses Ausmaßes erlebt.  Eine schwere globale Rezession ist  unvermeidlich.

    Um den Lockdown zu überleben, sind Millionen von Familien und Unternehmen  auf staatliche Zuschüsse und Darlehen angewiesen. Auch die Steuereinnahmen sind eingebrochen, also brauchen die Staaten ebenfalls Kredite. Deshalb werden wir derzeit den größten Anstieg der Haushaltsdefizite und der Staatsverschuldung seit dem Zweiten Weltkrieg erleben. Erneut liefern Banken, Finanz- und Geldmärkte den finanziellen Treibstoff für die kapitalistische Akkumulation. Die Erfahrungen der Großen Finanzkrise von 2008 haben gezeigt: Die später fällige Abrechnung ist mit einer massiven Verschärfung der  sozialen Ungleichheit verbunden.

    Mit hohen  Staatsausgaben versuchen Regierungen und mit extremen Interventionen der zentralen Notenbanken einen Kollaps des Systems  zu verhindern. Die gewaltigen Maßnahmen, mit denen in den letzten Wochen das Wirtschaftssystem gestützt wurde, kann man als Erfolg bewerten, wenn auch bloß als Erfolg in der Defensive. Wieder einmal wird ein zerbrechliches, gewinnorientiertes System gestützt, um Schlimmeres zu verhindern. Es handelt  sich um einen Erfolg von begrenzter Reichweite. Für Strukturveränderungen bestehen keine gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse. Die erste Anforderung an die Linke ist daher: Es kann nicht erneut um die bloße Reparatur des überlieferten wirtschaftliche Systems des Hyperkapitalismus gehen.

    In der globalen Welt wachsen die Gegensätze mit großen Gefahren für den Frieden und dem realen Zusammenhalt der Kooperationsketten in Wirtschaft, Begegnungen und Kultur.

    Die Europäische Union wird sich noch in Zerreißproben befinden. In der BRD wird sich mit den Tendenzen zur Rettung des realen Kapitalismus der soziale Zerfall, mit wachsenden Gegensätzen zwischen Reichtum und Armut vertieft, fortsetzen.

    Sich darauf einzustellen ist die Forderung. Der während der Krise aufgehäufte Berg von Schuldverschreibungen enthält die künftige Aufgabenstellung, wie und wer soll die Rechnungen für den Treibstoff des Hyperkapitalismus begleichen? Die Antwort entscheidet über das Ausmaß der sozialen Spaltung, über die Qualität unserer öffentlichen Infrastruktur und Dienstleistungen für die kommenden Jahre, d.h. über die Lebensqualität der künftigen Generationen. Wenn wir für dieses Problem keine sozialistische Antwort bereit halten, werden die Schulden aus der Pandemiebekämpfung zum Folterwerkzeug einer erneuerten Spar- und Umverteilungspolitik.

     

    3. Die gesellschaftlichen und sozialen Kämpfe, die vor uns liegen werden, werden Sache der Gewerkschaften und einer Vielfalt von Bewegungen sein.

    Selbst Initiator oder Verbündeter in Bewegungen zu sein, wird die schnell wachsende Herausforderung sein.

    Hier Forderungen zu stellen, selbst Gesicht zu zeigen, kann Teil einer weiteren Stärkung der Partei sein.

    Die Volksvertretungen in Städten und Gemeinden werden, wie noch nie nach der Beseitigung der Zerstörungen des 2. Weltkrieges, herausgefordert sein.

    Hier, an der Basis der Gesellschaft tritt eine neue Herausforderung ein, die es zur Sache der ganzen Partei zu machen gilt.

     

    4. Wie weit die Feststellung von Jörg Schindler, von einem qualitativen Sprung der Zusammenarbeit und der Vermittlung des Themas Europa nach außen mit linker Politik berechtigt ist, sollte auf dem Parteitag geprüft und sichtbar gemacht werden.

    Die politische Krise sowie die Wirtschaftskrise werden die Europäische Union wie bisher noch nie erfassen und bis an die Grenze des Zerfalls vieler Elemente führen.

    Der militärische Faktor wird wachsen und Forderung nach Bewaffnung und Kriegsführungsfähigkeit stellen.

    DIE LINKE ist gefordert, sich dem mit eigener Konzeption und Wirksamkeit entgegenzustellen.

     

    5. Wie die Erzählung über Vorschläge zur strategischen Position der LINKEN nach Meinung ihrer Verfasser verstanden werden soll, in der Öffentlichkeit, so nehmen wir es vom Ältestenrat auch wahr, ist sie in ihrer ganzen Zielstellung auf Rot-Rot-Grün auf Bundesebene ausgerichtet.

    Welche Worterfindungen, Umschreibungen und Ansagen auch gesucht und gewählt wurden, selbst die Betonung von bestimmten Erfahrungen blendet eine reale Analyse aus. Die Ergebnisse werden überzeichnet und Misserfolge weitgehend ausgeblendet.

    Erst das Maß für Anpassung setzen und dann den Raum fürs Mittun erfüllen, kann kein Streben nach Politikwechsel tragen.

     

    6. 30 Jahre nach dem Beitritt der DDR, auf der Basis des Artikels 23 des Grundgesetzes der BRD, zeigen Fakten große Ungleichheiten und politischen Geschichtsmissbrauch in einem Prozess der zum Anschluss geworden ist, ganz wesentliche Züge einer tiefen „Zweiheit“. Sie sind auch durch jährliche Berichte mit der Tendenz einer Schönfärberei nicht zu vertuschen.

    In der alten BRD sind Einsatz und Aufwendungen für die „Aufarbeitung“ der Zeit des Faschismus nie so groß und aufwendig gewesen, wie die Betrachtungen zur DDR.

    Bis heute fehlt der Ansatz und Auftrag die gesamtdeutsche Geschichte von 1945 bis zur Gegenwart darzustellen.

    DIE LINKE läuft Gefahr, ihre Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern in den östlichen Ländern durch Anpassung an Verfälschungen von Geschichte und historischen Abläufen, bei der Vertretung ihrer Interessen, Zustimmung zu verlieren.

    „Zeitenwende“ bleibt leeres Gerede, wenn historischen Vorgängen ausgewichen wird.

     

     

    Fazit:

    Manche unserer Beschreibungen der strategischen Felder und der daraus abzuleitenden Fragestellungen und daraus formulierten Herausforderungen mögen zugespitzt erscheinen.

    Möglich, aber unüberschaubar, wird sich eine Zäsur in der Nachkriegsentwicklung vollziehen. Erst 45 Jahre Nachkrieg, mit Kalter Kriegsführung, dann 30 Jahre vom größeren Deutschland zum Groß-Deutschland mit verbrämten Forderungen nach Verantwortung was europäische Führung sein soll. Jetzt werden tiefe Widersprüche des realen Kapitalismus sichtbar und neue Gegensätze brechen mit Folgen für soziale Gerechtigkeit, Frieden sowie für Abbau von Demokratie im System der Gesellschaft auf.

    DIE LINKE wird ihr Profil und ihren Platz zu suchen haben und neu bestimmen müssen.

    Ein Vorgang, der mit der Bundestagswahl und den davor liegenden Landtagswahlen aus dem realen Geschehen vor allen Parteien steht. Es wird einen Richtungswahlkampf mit neuer, politischer Schärfe geben. Es wird in allen Parteien, vor allem bei der Aufstellung der Listen für den Bundestag, um Plätze im Parlament und die Bildung von Strukturen der politisch herrschenden Klasse gehen.

    Der Erfurter Parteitag wird in Zeiten einer politischen Zäsur beraten. Ob er diesem Zeichen gerecht wird, ist die Herausforderung, der wir uns gewollt oder nicht gewollt, zu stellen haben.

     

    DIE LINKE muss sich selbst die Frage stellen: „Wer will sie sein?“, „Was will sie tun?“, um damit ihren Platz in der Gesellschaft zu bestimmen. Mit den Zielen und den Interessen, die sie für breite Volksmassen vertritt, muss sie Vertrauen und Zustimmung gewinnen.

      Bericht des Präsidiums an den Bundesausschuss am 27. 06. 2020

      Dieser Bericht umfasst den Zeitraum seit der letzten Tagung des Bundesauschusses der Wahlperiode 2018/2019 im November 2019.

       

      1. Organisatorisches

      Die für März 2020 geplante konstituierende Sitzung des BA für die Wahlperiode 2020/2021 konnte wegen der Pandemie nicht sattfinden. Da die entsprechenden Maßnahmen in der Zeit eingeleitet wurden, in der laut unserer Geschäftsordnung die Einladung fällig gewesen wäre, blieb nur die Absage der März-Tagung.

      Nach einer ersten Klärung der Umstände bestand dann die Absicht, die Konstituierung des BA zum ursprünglich zweiten für das Jahr 2020 geplanten Termin in einer Präsenzsitzung durchzuführen. Dabei sollte dann auch die Neuwahl des Präsidiums erfolgen.

      Nach der Satzung erfüllt das Präsidium seine Aufgaben über das Ende der jeweiligen Wahlperiode hinaus bis zur Neuwahl des Präsidiums durch den BA der folgenden Wahlperiode. Diesen Zeitraum wollten wir nicht weiter verlängern.

      Zum Termin der Einladung gab es jedoch noch Unsicherheiten hinsichtlich der Möglichkeit für die Durchführung einer Präsenztagung unter Einhaltung der Hygiene-Bestimmungen. Daher hat das Präsidium ein Meinungsbild der Mitglieder des BA eingeholt, dass letztlich eine knappe Mehrheit für die Durchführung als Videokonferenz ergab. Diesem Votum ist das Präsidium gefolgt.

      Unter Einhaltung der Regularien kann damit eine Neuwahl des Präsidiums mit der Möglichkeit einer geheimen Stimmabgabe erst in der nun folgenden Sitzung im September erfolgen. 

      In Vorbereitung der BA-Sitzung als Video-Konferenz am 27.Juni 2020 hat das Präsidium einige Male miteinander telefoniert und sich regelmäßig in die Sitzungen des Parteivorstandes eingebracht. 

       

      1. Politisches

      Nach den Landtagswahlen im September 2019 hatte der Parteivorstand auf Drängen vieler Parteigliederungen eine Strategiedebatte eingeleitet. In seiner November-Sitzung hatte der BA nach einer kontroversen Diskussion Fragen beschlossen, die aus unserer Sicht in einer in der Strategiedebatte zu klären sind.

      Unsere Ausgangsfrage war:

      „Das Profil der LINKEN wird in ihrem Programm in der Satzung bestimmt. Die Grundsatzdokumente der Partei wurden vor etwa 10 Jahren beschlossen. Wie haben der Bundesvorstand und die Landesverbände deren politische Leitlinien in praktische Politik umgesetzt? (Orientierung von Wahlstrategien, Wahlprogrammen usw. am Parteiprogramm – inwieweit sind Wahlergebnisse also Folge der Orientierung am oder der Vernachlässigung des Programms?“

      Zum Umgang mit unseren Fragen hatte der Ältestenrat bereits vor der Strategiekonferenz konstatiert:

      „Leider haben weder der Parteivorstand, noch die von ihm eingesetzte Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Konferenz, die grundsätzlichen inhaltlichen Überlegungen des Bundesausschusses und des Ältestenrates Beachtung geschenkt.“

      In der Debatte waren da die vom Bundeausschuss gestellten Fragen bereits auf eine entschiedene Verweigerungshaltung gestoßen. So schrieb Benjamin-Immanuel Hoff in seinem Beitrag zur Strategiedebatte: „Ich bin der Überzeugung, dass es weniger um die Fragen des Regierens geht, auch oder gerade weil der Bundesausschuss der Linkspartei in seinen Fragestellungen für die Strategiedebatte der kritischen Betrachtung linken Regierens wieder einmal erheblichen Raum zu geben wünscht. In der Kritik am Regierungshandeln spiegelt sich eine Haltung wieder, die eigene Grundsätze, die eigene Erkennbarkeit über die Herstellung politischer Kompromisse stellt. So kann Gestaltung komplexer Gesellschaften aber nicht funktionieren.“

      Wo die politische Strategie einer Partei sich einer solchen Auffassung unterordnet, wird die Partei nicht nur für Wähler unerkennbar, sie macht sich tatsächlich überflüssig.

      Auch wenn es schmerzt, auch wenn es bei der Gestaltung von Tagespolitik „hinderlich“ sein mag: Sowohl in ihrem Regierungs- wie Oppositionshandeln muss die LINKE als Kraft erkennbar bleiben, die den Kapitalismus überwinden will. Das sollte einheitliches Element ihrer Politik sein.  Eine Strategie, die diesem Imperativ nicht folgt, wäre fehl am Platze.

      Nach der Strategiekonferenz am 29.02./1.03.2020 in Kassel bereitete das Präsidium die für den 14./15. März 2020 geplante Sitzung des Bundesausschusses vor. In der Sitzung sollte ausführlich eine Auswertung der Konferenz erfolgen und wir hatten den Parteivorstand gebeten dazu eine Auswertung der Kasseler-Konferenz vorzulegen, die im Bundesausschuss diskutiert werden sollte. Ferner erarbeitete das Präsidium den Antrag „zur Arbeitsweise des Bundesausschusses“, der wegen des Ausfallens der BA-Sitzung im März in der kommenden Video-Konferenz beraten werden soll.

      Für uns war und ist es unverständlich, dass der PV über die Strategiekonferenz diskutieren wollte, ohne eine entsprechende Einschätzung schriftlich vorzulegen. Wir fragten uns, mit welchem Ziel dann eine solche Diskussion geführt werden soll?

      Die Strategiekonferenz wurde auf Grund der erreichten Wahlergebnisse 2019 und der vielen Diskussionen in der Bundespartei konzipiert, um in einer offenen, breit angelegten Debatte Fragen und auch konkrete Antworten herauszuarbeiten. Da ging es zum einen um die gesellschaftliche Entwicklung und zum anderen um die Entwicklung in unserer Partei.  Nun wird es sicherlich auch auf Grund der aktuellen Entwicklung Veränderungen in der Einschätzung der gesellschaftlichen Entwicklung geben, aber trifft das auch auf die interne Entwicklung der Partei zu und in welcher Art und Weise?

      Wir sind überzeugt: Ohne eine entsprechende Gesamteinschätzung ist eine zielgerichtete Diskussion schwerlich möglich. Deshalb brachten wir die Erwartung zum Ausdruck, dass diese Auswertung dem Parteivorstand schriftlich vorgelegt wird.

      Am 7. April verständigte sich das Präsidium in einer Telefonkonferenz auf ein Schreiben an den Parteivorstand. In der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Lage war die Aufrechterhaltung der politischen Arbeit mit großen Schwierigkeiten verbunden. Bei Anerkennung der Leistungen sowohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im KL – Haus, als auch der ehrenamtlichen Arbeit des Parteivorstandes mussten wir uns kritisch mit der Herangehensweise an wichtige Fragen auseinandersetzen

      Ein weiteres Problem sehen wir in der Frage der Entwicklung einer Strategie für die Zeit  nach der Pandemie. Wir gehen davon aus, dass diese Krise die Gesellschaft verändern wird. Wir fragen uns auch, welche Antworten unsere Partei für die dann anstehenden Herausforderungen geben wird?  Aus unserer Sicht sollten wir so schnell wie möglich damit beginnen. Und hier sehen wir in erster Linie den Parteivorstand in der Pflicht.

      Im Angesicht der Auswirkungen der Pandemie hat sich das Präsidium bei der Vorbereitung der Entscheidung im Parteivorstand für eine Verschiebung des Parteitages ausgesprochen.

      Darüber hinaus baten wir den Parteivorstand, gemeinsam mit uns darüber nachzudenken, in wieweit der Bundesausschuss als Organ der Partei stärker in die zukünftigen Aufgaben und Entscheidungen einbezogen werden könnte. Die Mitglieder des Bundesausschusses sind alle für diese Wahlperiode gewählt. Bei einer stärkeren Einbeziehung bis zum Bundesparteitag wäre es sicherlich möglich, anstehende Konflikte besser zu bearbeiten.

      Die wesentliche Schlussfolgerung für die Arbeit des BA lautet:

      Wir haben wiederholt die richtigen Fragen aufgerufen – nicht erst zur Strategiedebatte, sondern auch z.B. schon im März 2017 in unserer Beratung zu linken Gegenstrategien gegen die Rechtsentwicklung.

      Aber auch nach dem Diskussionsprozess seit September 2019 und der Strategiekonferenz in Kassel müssen wir konstatieren: Auf die Fragen, die der Ältestenrat und der Bundesausschuss gestellt haben, wurde nicht einmal eine Antwort versucht. Darüber hinaus nehmen auch die in den letzten Wochen eingebrachten strategischen Überlegungen nur einen Teil der Diskussion in Kassel auf.

      Wir müssen künftig diese Fragen nicht nur aufrufen, wir müssen auch energischer dafür streiten, dass sie beantwortet werden.

         

         Informationsvorlage 083i, TOP 5 Strategiediskussion, Einreicher*innen: Katja Kipping, Bernd Riexinger, Jörg Schindler und Harald Wolf

         

         Für eine solidarische Zukunft nach Corona

        Vorschläge zur strategischen Positionierung der LINKEN

        Die Corona-Pandemie ist schon jetzt eine Zeitenwende. Covid-19 ist eine Pandemie, die an keiner Grenze haltmacht. Sie verdeutlicht wie kaum ein Ereignis zuvor: die Welt, wie wir sie kennen, ist aus den Fugen geraten. Knapp ein Drittel der Erdbevölkerung, also ca. 2,6 Milliarden Menschen, lebte allein Ende März in einer Ausgangssperre. Ein einmaliger Vorgang. Ein unsichtbares Virus legt die uns vertraute Welt still. Es ist ein Ereignis von historischer Tragweite, das uns allen ein Umdenken auferlegt. Die Corona-Krise ist eine globale und gesamtgesellschaftliche Krise. Aus dieser kann uns nur ein sozialökologischer Systemwechsel herausführen: Es gilt, die gesellschaftlichen Spaltungen zu überwinden, die epochale Weltwirtschaftskrise zu bewältigen und dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Die Corona-Pandemie zeigt uns auf dramatische Weise, wie soziale Gerechtigkeit, Gesundheit, Klimaschutz und Frieden zusammengehören.

        Wir stehen vor einer Rezession historischen Ausmaßes. Allein Europa droht einen wirtschaftlichen Schock zu erleben, wie es ihn seit der großen Depression nicht mehr gegeben hat. In den USA erfasst die Erwerbslosigkeit mehr Amerikaner*innen als in den 1930er Jahren. Auch für Deutschland müssen wir mit der größten Rezession seit der Nachkriegszeit rechnen. Wir gehen von ökonomischen Verwerfungen und beinharten Verteilungskämpfen aus. Diese verlangen von allen linken und fortschrittlichen Kräften ein beherztes Auftreten und möglichst gemeinsames Vorgehen.

        Es ist eine Binsenweisheit: Armut macht krank, und die berechtigte Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes ist nicht gesund. Eine Maske kann – richtig angewandt – vor dem Corona-Virus schützen, aber eben nicht vor Armut und Abstiegsangst. Genau hier muss jede sozial verantwortliche Politik beginnen: Wie kann es gelingen, unsere Gesellschaft aus dieser Krise herauszuführen? Die Linke kann hier im Zusammenspiel mit vielfältigen anderen gesellschaftlichen Akteuren und Bewegungen ein solidarischer Lotse sein. Möglich ist das, wenn es uns gelingt, soziale Gerechtigkeit und demokratische Freiheit zu verbinden.

        In gesellschaftlichen Umbruchphasen wie diesen zeigt sich, inwieweit eine linke Partei lebendig und aktiv ist. DIE LINKE ist in vielen Auseinandersetzungen verwurzelt, sie ist aktiv in Kampagnen gegen Pflegenotstand, für den Mietendeckel, gegen Rassismus, für kostenfreien ÖPNV und bessere Lebensbedingungen auf den Land, für die Rekommunalisierung und Wiederaneignung von öffentlichem Eigentum. Sie hat wahrnehmbar die Forderung nach einer Pflegezulage von 500 Euro als Einstieg in eine grundsätzlich bessere Bezahlung stark gemacht. DIE LINKE ist an drei Landesregierungen beteiligt und stellt einen Ministerpräsidenten. Hier, z.B. beim Berliner Programm für Kunstschaffende oder beim Schutzschirm für Wohnungslose, zeigt sie gerade auch in der Corona-Krise, dass es einen sozialen und demokratischen Unterschied macht, wenn fortschrittliche Parteien gemeinsam regieren. Die Linksfraktion streitet im Deutschen Bundestag wie keine andere Partei für soziale Gerechtigkeit, demokratische Freiheitsrechte und eine konsequente Friedenspolitik. Mehr denn je geht es jetzt darum, unsere Kräfte zu bündeln und um einen Richtungswechsel zu kämpfen.

        Corona hat gezeigt: Die alten Rezepte des Marktfundamentalismus kosten Leben und „der Markt“ kann eine Gesellschaft nicht retten. Privatisierung und Deregulierung haben sich als unfähig erwiesen, im notwendigen Maße Güter und Dienstleistungen zur Verfügung. Die ökonomische Form des Neoliberalismus ist in keiner Weise krisenfest. Viele private Unternehmen müssen derzeit durch massive staatliche Hilfen selbst gerettet werden (manche nutzen auch nur die Gelegenheit).

        Auch deshalb gilt es, für einen gesellschaftlichen Neuanfang unter veränderten Prämissen zu streiten. Corona zeigt:

        • Wir brauchen einen starken öffentlichen Sektor mit guter Arbeit, Mitbestimmung, betriebs- und wirtschaftsdemokratischen Elementen, die flexibel auch auf veränderte gesellschaftliche Bedürfnissen reagieren können.
        • Wir brauchen den Ausbau und die Demokratisierung des Sozialstaates, der sowohl allen hier lebenden Menschen individuell und in allen Lebenslagen soziale Garantien und Sicherheit bietet, als auch die soziale Basis für die Verteidigung der Demokratie schafft.

        Die Corona-Krise stellt uns als Partei mit ihren Einschränkungen im öffentlichen Leben vor besondere Herausforderungen. Linke Politik braucht den öffentlichen Raum wie die Luft zum Atmen. Eine linke Partei sucht das direkte Gespräch mit den Menschen. Sie spricht im Bundestag wie bei Streiks oder auf Demonstrationen. Deshalb schmerzen uns die aktuellen Einschränkungen in jeder Hinsicht. Eine Videokonferenz ersetzt kein zwischenmenschliches Gespräch und ein Online-Protest ist eben doch keine Demonstration im öffentlichen Raum. Dennoch führen wir unseren im Herbst 2019 begonnenen Strategieprozess weiter. Es besteht enormer Diskussionsbedarf zur inhaltlichen Klärung offener Fragen und um die weitere Richtung unserer Politik. Das zeichnet uns als lebendige linke Partei aus.

        Schon vor Corona haben wir gesagt: Wir befinden uns inmitten eines gesellschaftlichen Umbruchs. Wirtschaftlich deutete sich bereits vor Corona eine Rezession an, die Aufschwungsphase nach der Wirtschaftskrise von 2008 ging zu Ende. Elektromotorisierung und Digitalisierung haben schon vor Corona neue Rationalisierungs- und Transformationsprozesse eingeleitet. Die Parteienlandschaft kam in Bewegung. Die Klimakrise stellte die vorherrschende globale Wirtschafts- und Lebensweise grundsätzlich in Frage. Inmitten dieser wirtschaftlichen Umbruchphase breitet sich die Corona-Pandemie weltweit aus. Sie wirkt wie eine Vollbremsung auf der Überholspur. Die globale Realwirtschaft wurde angehalten, Lieferketten pulverisierten sich und nahezu alle Länder sind direkt oder indirekt Leidtragende der Krise. Das Corona-Virus ist kein isoliertes Naturereignis. Schon jahrelang warnen Biolog*innen, Virolog*innen und Ökolog*innen vor neuen und vermehrt auftretenden gefährlichen Infektionskrankheiten. Die kapitalistische Hyperglobalisierung und der Ressourcenabbau führen in einer Welt endlicher Ressourcen und begrenzt belastbarer Ökosysteme nahezu zwangsläufig in Katastrophen, wie wir sie jetzt erleben. Der Begriff des „externen Schocks“ führt deshalb in die Irre. Epidemien haben auch mit der Abholzung der Wälder, dem Raubbau an der Natur, aber auch schwachen öffentlichen Gesundheitssystemen zu tun. Das gilt für die SARS-Pandemie der Jahre 2002 und 2003, die in China ihren Ausgang hatte. Das gilt für die Ebola-Epidemie in den Jahren 2014 und 2015 in Westafrika. Und es gilt für Corona. Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Wir haben es mit einer globalen Pandemie zu tun, die weltumspannende Lieferketten unterbrochen und Wirtschaftskreisläufe (teilweise) zum Erliegen gebracht hat.

        Die Antwort der Bundesregierung auf die zuvor unterschätzte Gefahr der Corona-Pandemie waren radikale Kontaktbeschränkungen, die wie nie zuvor in unsere Grundrechte eingriffen. Das Recht auf Versammlung im öffentlichen Raum wurde stark eingeschränkt und nahezu Informationsvorlage 083i, TOP 5 Strategiediskussion, Einreicher*innen: Katja Kipping, Bernd Riexinger, Jörg Schindler und Harald Wolf

        jede soziale Mobilität und Begegnung unterbrochen. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen sind dramatisch. Die Corona-Pandemie übertrifft die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09. Aber anders als damals war nicht der Finanzsektor der Auslöser der Krise. Mit dem Lockdown wurden viele wirtschaftliche Aktivitäten in ein künstliches Koma versetzt. Schon jetzt sind die Folgen für Millionen Menschen spürbar. Ca. 10 Millionen Beschäftigte wurden in Kurzarbeit geschickt, z.T. mit erheblichen Lohneinbußen. Die Erwerbslosigkeit steigt. Zahlreiche Soloselbständige, Kunstschaffende und Kleinunternehmen verlieren ihre Existenzgrundlage.

        Allerdings stellen wir eine Differenz zu vorangegangenen Krisen fest: Schneller als jemals zuvor sind Billionen schwere Rettungsschirme aufgestellt worden, um Massenarbeitslosigkeit, Firmenzusammenbrüche und Finanzkrisen zu verhindern. Laut IWF wurden weltweit bereits Maßnahmen im Umfang von rund 8 Billionen Dollar auf den Weg gebracht. Die G20-Staaten haben allein 7 Billionen mobilisiert. In Deutschland summieren sich die haushaltswirksamen Leistungen auf 353 Milliarden und die staatlichen Garantien auf 820 Milliarden. Ein großer Teil davon kommt privaten Großbetrieben und Konzernen zugute, die in den letzten Jahrzehnten außerordentlich hohe Gewinne gemacht haben – und zum Teil noch machen. Ungeniert kassieren z.B. VW und Daimler Kurzarbeitergeld in dreistelliger Millionenhöhe und zahlen trotzdem Dividende an ihre Aktionäre aus. Laut einer Anfrage der Linksfraktion haben alle 30 DAX-Unternehmen Beteiligungen in Steueroasen. Die Konzerne werden alles dafür tun, um die Verluste auf den Staat und ihre Belegschaften abzuwälzen.

        Die Auswirkungen der Krise treffen die Staaten in der EU und im Euroraum unterschiedlich stark. Italien, Spanien, Griechenland droht ein Absturz der Wirtschaftsleistung nach einer Prognose der EU-Kommission von mehr als 9 Prozent, Frankreich von über 8 Prozent, während Deutschland mit einem Minus von 6,5 Prozent rechnen muss. Damit werden die Ungleichgewichte in der EU noch größer. Klaus Busch (Professor i.R. für Europäische Studien) warnt vor einer Existenzkrise der EU in Folge der Pandemie. Die Krise trifft die Länder am stärksten, die wie Italien, Spanien und Griechenland besonders unter den Folgen der Austeritätspolitik der EU leiden mussten. Und mit Frankreich trifft es die zweitstärkste Volkswirtschaft in der EU. Wie schon während der Eurokrise hat Deutschland auch in der gegenwärtigen Krise zusammen mit den Niederlanden finanzpolitische Solidarität mit den von der Krise besonders stark getroffenen Ländern verweigert, die Forderung nach Cornona-Bonds blockiert und eine Politik des „Germany First“ verfolgt. Politisch hat die Krise die Spaltungslinie zwischen den süd- und nordeuropäischen Staaten nochmals vertieft. Ihre Fortsetzung spielt rechtsextremen Kräften wie Salvini, Le Pen und Vox in die Hände. In Ungarn und Polen hatten die rechten Regierungen unter dem Vorwand der Krise parlamentarische Rechte suspendiert und die Unabhängigkeit der Justiz beseitigt. Renationalisierungstendenzen und die ungelösten Strukturprobleme der Eurozone blockieren eine adäquate Antwort auf die Krise.

        So bleibt das Maßnahmepaket der EU weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Die Finanzkraft des ESM ist angesichts der Tiefe der alle EU-Staaten erfassenden Krise viel zu gering. Mit der von der Niederlande erzwungenen Beschränkung der Leistungen auf gesundheitspolitische Maßnahmen geht er an den Erfordernissen einer wirtschaftlichen Stabilisierung vorbei. Kredite aus dem ESM erhöhen zudem die Schuldenlast für bereits hochverschuldete Staaten wie Italien, Spanien, Griechenland und auch Frankreich. In Ländern wie Italien und Spanien wächst die Enttäuschung und Wut über die EU, weil gerade die Bundesregierung erneut Staatsanleihen in Form von Corona-Bonds blockiert. So wird die Europäische Union nicht gerettet, sondern will sich die Merkel-Regierung auf Kosten von Informationsvorlage 083i, TOP 5 Strategiediskussion, Einreicher*innen: Katja Kipping, Bernd Riexinger, Jörg Schindler und Harald Wolf

        Europa retten. Entsprechend sinkt das Vertrauen in die europäische Idee in dramatischem Maße. Ob sich daran etwas ändert, ist auch eine Frage unseres Tuns. Darum wird es in den nächsten Monaten gehen: gegen den ökonomischen Nationalismus der Bundesregierung und für europäische Solidarität zu streiten.

        Die Staatsverschuldung wird in allen Ländern steigen. Nach der bisherigen Lage würde nach der Corona-Krise der Zwang der Schuldenbremse und des Europäischen Stabilitätspakts wieder greifen. Was jetzt den Unternehmen an Hilfen gezahlt wird, müsste dann aus den öffentlichen Haushalten gegenfinanziert werden. Die Frage wird daher sein: Wer trägt die Kosten der Krise? Gelingt es progressiven Kräften im Verbund mit Gewerkschaften und Sozialverbänden, dass Superreiche und Vermögende – z.B. mit einer Vermögensabgabe – an den Kosten der Krise beteiligt werden, oder werden die Krisenlasten auf den Schultern der Lohnabhängigen, Rentner*innen und Erwerbslosen abgeladen? Die Finanzierung eines (europäischen) Konjunkturprogramms muss durch die EZB unterstützt werden und einen Teil der Staatsschulden in ihre Bilanz nehmen. In Ländern wie den USA oder Japan ist es normal, dass die Zentralbanken die Regierungen bei der Finanzierung ihrer Haushalte unterstützen. Auch jetzt schon kann die EZB vertragskonform die Emission großer Mengen an Corona-Bonds mit langen Laufzeiten durch die Europäische Investitionsbank absichern und dadurch den europäischen Staaten den nötigen finanziellen Handlungsspielraum verschaffen.

        LINKE Aufgaben

        1. Ein sozialer Schutzschirm für alle

        DIE LINKE steht an der Seite an der Beschäftigten, Erwerbslosen und Rentner*innen. Wir machen Druck für einen sozialen Schutzschirm der alle schützt. So fordern wir ein Kurzarbeitergeld von 90 Prozent, einen Corona-Zuschlag von 200 Euro im Monat auf die Sozialleistungen, ein Corona-Überbrückungsgeld für Kleinstunternehmen, Kunstschaffende und Soloselbstständige und Minijobbende, Mietmoratorium und Kündigungsschutz, bedarfsdeckende Finanzierung der Krankenhäuser und Zulagen in der Pflege als Einstieg in höhere Gehälter, Kredite und Hilfen für Selbstständige. Wir vertreten die Interessen der Arbeiter*innenklasse, der Ausgegrenzten und Marginalisierten.

        Wir haben erfolgreich Druck gemacht, und die Bundesregierung musste einige unserer Forderungen teilweise übernehmen (Mieterschutz, Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, Zulagen in der Pflege). DIE LINKE ist seit Jahren aktiv im Kampf für bessere Bedingungen in der Pflege und für ein besseres Gesundheitssystem. Gerade in den kommenden Verteilungskämpfen ist das wichtig.

        Unser Auftrag lautet auch weiterhin: Die Verteidigung all jener, die schuften und sich abrackern, die sich wenig oder nichts leisten können und die sich nicht mehr repräsentiert fühlen. Bei ihnen dürfen die Kosten der Krise auf keinen Fall abgeladen werden. Gleichzeitig wissen wir: Diesen ureigenen Auftrag jeder linken Partei können wir nur erfüllen, wenn wir mit der Verteidigung der sozialen und demokratischen Interessen auch die Frage einer alternativen gesellschaftlichen Ordnung auf die Tagesordnung setzen. Deshalb formulieren wir bei unserer Interessenvertretung immer auch einen unmissverständlichen Veränderungsanspruch: den Interessen des Kapitals Grenzen setzen und diese zurückdrängen, der gerechten Gesellschaftsordnung schrittweise zur Durchsetzung verhelfen. Denn diejenigen, die seit Jahrzehnten ausgeplündert werden und die unter dem zu erwartenden Wirtschaftsschock am meisten zu leiden haben, reichen weder Trost noch Informationsvorlage.

         

        2. Die Gleichheit der Menschen verteidigen: gegen Diskriminierung von Alten und Geflüchteter

        In den Debatten um Lockerungen wird immer wieder die unheilvolle Idee propagiert, „Risikogruppen“ zu isolieren oder das Leben älterer Menschen als weniger schützenswert anzusehen. DIE LINKE lehnt diese Ansätze kategorisch ab. Diese Vorstöße sind ein böses Gift in unserer Gesellschaft. Bereits vor Corona gab es eine strukturelle Altersdiskriminierung. Sie zeigt sich in der Art und Weise, wie ältere Menschen im Job missachtet werden, wie unsere Altenheime und der Lebensabend überhaupt ökonomisiert wurden, wie die Rente oftmals nicht den Lebensstandard sichert. Wer jetzt der Meinung ist, dass ältere Leute zu Hause bleiben sollten, damit die Wirtschaft wieder in Gang kommt, vergeht sich nicht nur an der Lebensleistung der Betroffenen, sondern macht das Alter zum Risiko statt die rücksichtslose Ökonomisierung des Lebensabends in Frage zu stellen.

        Überall, wo Menschen auf engem Raum untergebracht sind, ist das Infektionsrisiko besonders groß. Der Pflegenotstand in den Altenpflegeeinrichtungen ist katastrophal. Hart trifft es auch die Geflüchteten. Vielfach sind Sammellager, wie im baden-württembergischen Ellwangen, schon zu Infektionsherden geworden. Genauso entschieden kritisieren wir den rechtswidrigen Umgang mit den Flüchtlingen auf den griechischen Inseln und fordern humanitäre Sofortmaßnahme durch die Aufnahme von 10.000 Geflüchteten. Diese Lager müssen evakuiert und die Menschen in die europäischen Länder verteilt werden. Leave no one behind – niemanden zurücklassen!

        3. Politische Grundrechte verteidigen

        Das Virus zu stoppen bedeutet ausdrücklich nicht, dass der Infektionsschutz als Vorwand missbraucht wird, um pauschal politischen Protest und demokratische Grundrechte, wie die Versammlungsfreiheit, auszusetzen oder arbeitsrechtliche Standards wie den 8-Stunden-Tag auszuhebeln. Inzwischen entwickeln die verschiedenen Initiativen Protestformen, die deutliche Botschaften setzen und trotzdem mit Infektionsschutzregeln vereinbar sind. So setzte Fridays for Future statt auf eine Demo von vielen auf ein starkes Bild mit unzähligen selbstgestalteten Plakaten auf der Wiese vorm Bundestag. Gerade angesichts der bevorstehenden harten Verteilungskämpfe, die uns bevorstehen, sind eine aktivierte Zivilgesellschaft und eine lebendige Protestkultur wichtig. Als LINKE organisieren und unterstützen wir deshalb unter strenger Berücksichtigung des Infektionsschutzes politische Aktionen im Netz und auf der Straße, z.B. zum Tag der Pflege, für Frieden und Abrüstung, gegen Rassismus, für internationale Solidarität oder für bezahlbares Wohnen.

        4. Für eine solidarische Gesellschaft kämpfen, sozial-ökologischen Systemwechsel vorantreiben

        Jetzt wird entschieden, wie diese Krise aufgelöst wird. Jetzt wird entschieden, wer profitieren wird, wer die Folgen tragen und die Kosten bezahlen muss. Der Klimaschutz darf nicht wieder nur auf der Reservebank sitzen. Denn die Gelder, die jetzt für Investitionen freigemacht werden, können kein zweites Mal ausgegeben werden. Sie müssen den sozial-ökologischen Umbau und die Wirtschaftsdemokratie voranbringen. Staatliche Hilfsgelder Informationsvorlage und notwendige Investitionen müssen wir sinnvoll miteinander verbinden, damit nicht nur der krisenverursachende bzw. krisenanfällige Status quo wiederhergestellt wird, sondern unsere Gesellschaft in eine neue Betriebsweise überführt wird. Deshalb müssen staatliche Hilfsgelder an strukturbestimmende und für den sozial-ökologischen Umbau bedeutsame Unternehmen mit dem Erwerb von Eigentumsrechten und dem Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen verbunden werden bis hin zu einer möglichen Vergesellschaftung. Investitionen wiederum sollen vorrangig den Einstieg in ein sozial-ökologisches öffentliches Wirtschaften sowie der Ausweitung betriebs- und wirtschaftsdemokratischer Gestaltung dienen, etwa über regionale Wirtschaftsfonds mit Regionalräten, der Stärkung von Belegschafts- und öffentlichem Eigentum, zum Beispiel der Kommunen. Auch auf unserer Kasseler Strategiekonferenz im Februar 2020 wurde deutlich, dass die Verbindung von sozialer Gerechtigkeit und Klimaschutz einen wesentlichen Kern linker Politik ausmacht. Wir haben hier als LINKE unterschiedliche Schwerpunkte, aber uns eint das Wissen um den gesellschaftlichen Zusammenhang von sozialer Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit. Nur wenn sich Klimaschutz alle leisten können, ist er gerecht und kein Privileg der Besserverdienenden.

        Drei mögliche Zukunftspfade

        Der globale Kapitalismus war schon vor der Pandemie im Umbruch und der Neoliberalismus in einer Legitimationskrise. Dabei zeichnen sich drei mögliche Pfade ab:

        Erstens: Herausbildung eines autoritären Kapitalismus.

        In Ländern wie den USA, Großbritannien, Ungarn, Türkei oder Polen, aber auch in Indien und Brasilien, sind autoritäre, nationalistische Regierungen die rechte Antwort auf die neoliberale Ära. Sie verbinden nationalistisch-exklusive Wohlstandsversprechen mit Ausgrenzung von bestimmten ethnischen oder religiösen Bevölkerungsgruppen, mit Abgrenzung gegenüber Migranten*innen und Geflüchteten. Sie begründen ihre Siege bei Wahlen nicht nur mit dem Versprechen der Rückkehr einer besseren Vergangenheit, sondern auch mit den real erlittenen Erfahrungen der sozialen Verrohung und kulturellen Verluste im Zuge der neoliberalen Globalisierung. Bislang konnte die alte und die neue Rechte in Deutschland nicht von der Corona-Krise profitieren. Das ist gut so und umso mehr gilt es, all jenen aufklärerisch zu begegnen, die tatsächlich glauben, dass sich hinter der Corona-Pandemie ein geheimer Plan zur Erringung der Weltherrschaft verbergen würde. Zugleich gilt: Die nationalistische Antwort auf die Krise des Neoliberalismus verkennt, dass die Welt bereits umfassend und unauflösbar miteinander verbunden ist – sozial, wirtschaftlich, auch ökologisch. Folglich können die Probleme auch nur in solidarischer Kooperation, nicht aber „in einem Land“, schon gar nicht „für unser Volk“ gelöst werden.

        Zweitens: Modernisierung des Kapitalismus

        Auf diesem Pfad – in Frankreich wird er durch Macron verkörpert, hierzulande steht Schwarz-Grün dafür – werden die Leittechnologien und Produktlinien umgebaut. Klimaschutz wird in unterschiedlicher Weise – kommunikativ oder materiell – Bezugspunkt dieser Modernisierung. Grundlagen der Marktwirtschaft, der Eigentumsformen oder das Exportmodell Deutschland werden nicht in Frage gestellt. Auch Niedriglöhne und prekärer Arbeit, billige Arbeitskraft auf den Weltmärkten werden nicht in Frage gestellt. Die internationale Arbeitsteilung bleibt unverändert, ebenso die strukturelle Ausbeutung der Ressourcen im globalen Süden. Die Handelsbeziehungen sollen stärker reguliert und Kompromisse einkalkuliert, Interessen nicht einfach mit dem Recht des Stärkeren durchgesetzt werden. Der Staat hat dafür zu sorgen, dass die nötige Infrastruktur (Ladestationen, digitale Infrastruktur, usw.) aufgebaut und – mittels der öffentlichen Haushalte – finanziert wird. Dieses Modell ist mit staatlicher Regulierung und Investitionen als Übernahme der Kosten der Innovation durch den Staat verbunden. Diese Linie findet sich auch in den Forderungen der Industrie nach Staatshilfe in der Corona-Krise.

        Die ökologische Ausrichtung eines solchen grün modernisierten Kapitalismus soll mit marktwirtschaftlichen Wettbewerbselementen, etwa Öko-Steuern und CO2-Bepreisung, erreicht werden. Grundsätzlich gehen die Anhänger*innen dieses Kurses davon aus, dass die Modernisierung nicht gegen die Konzerne durchgesetzt werden muss, sondern in kooperativer Zusammenarbeit und auf Basis von Markt und Wettbewerb. Verteilungskämpfe werden hierbei jedoch ausgeklammert oder zu Lasten der ärmeren Schichten entschieden. Es droht latent die Wiederkehr eines neoliberalen Marktmodells mit grünen Aspekten. Verlierer*innen dieses Modells sind die, die sich Ökologie als Wettbewerb unter dem Regime von Preis und Markt potenziell nicht leisten können.

        Drittens: Sozial-ökologischer Systemwechsel oder: Für einen linken Green New Deal

        DIE LINKE steht für eine Alternative zum autoritären wie zum grün-modernisierten Kapitalismus. Wir verbinden den Kampf um soziale Gerechtigkeit mit konsequentem Klimaschutz, Demokratie und Frieden. Wir stehen für ein neues, sozial gerechtes und klimagerechtes Wohlstandsmodell, das die Lebensqualität verbessert.

        Elemente eines solchen Projektes sind:

        • Ein ehrgeiziges Investitionsprogramm in die soziale Infrastruktur und den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft. So schaffen wir zugleich die Infrastruktur für ein besseres Leben und eine krisenfestere Gesellschaft. Mit dem Aufwuchs der öffentlichen Daseinsvorsorge und kollektiver Mobilität /ÖPNV entstehen Millionen neue Arbeitsplätze.
        • Sinnvolle Arbeit, kürzere Arbeitszeiten und Löhne, die für ein gutes und sicheres Leben reichen. So können wir auch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zurückdrängen, indem wir alle wirklich gesellschaftlich notwendigen („systemrelevanten“) Berufe anerkennen und die Arbeit auch zwischen den Geschlechtern gerechter verteilen können.
        • Soziale Sicherheit für alle. Alle garantiert vor Armut schützen. Den Sozialstaat durch soziale Garantien verstärken und alle Menschen wirksam gegen die Risiken von Krankheit und Erwerbslosigkeit schützen, einen guten Lebensstandard für alle in allen Lebenssituationen, vor allem aber auch im Alter garantieren.
        • Gerechter Klimaschutz. Im Zentrum stehen hier der Ausstieg aus der Kohle, der Ausbau der regenerativen Energien, eine ökologisch nachhaltige Mobilitätswende, der Umbau der Landwirtschaft und energetische Gebäudesanierung. Dabei muss DIE LINKE lokal und global denken. Es geht auch um die Verantwortung der globalen Wirtschaftszentren gegenüber den globalen Armutsregionen. Wir benötigen eine neue Weltwirtschaftsordnung, die verantwortlich und nachhaltig mit dem Ressourcenverbrauch umgeht, Fluchtursachen zurückdrängt und Klimagerechtigkeit herstellt.
        • Ökologische Transformation der Industrie mit Konversion klimaschädlicher Industrien, einer Arbeitsplatz- und Einkommensgarantie und mehr Demokratie in der Wirtschaft.
        • Umverteilung von Einkommen und Vermögen ist eine zentrale Voraussetzung dieses Projektes. Es geht nicht nur um die stärkere Belastung der Reichen, Vermögenden und Kapitalbesitzer, vielmehr um ein gesellschaftliches System der Verteilungsgerechtigkeit und der Herausbildung neuer Eigentumsformen. Gesellschaften mit geringerer Ungleichheit schaffen mehr Innovationen und ermöglichen ein besseres Leben für die Vielen.

         

        Für all das braucht es solidarische Kämpfe und politische Mehrheiten. Wir sind davon überzeugt, dass es gerade jetzt möglich ist, für diese Perspektive ein Fenster in der Gesellschaft zu öffnen. Das Bewusstsein, dass es so nicht bleiben kann und darf, ist längst da. Gerade DIE LINKE ist in der Lage, diese Elemente zu einem neuen gesellschaftlichen Projekt zusammenzuführen. Wir wollen die Auseinandersetzung und die Kämpfe für ein solches Projekt mit dem Einstieg in einen demokratischen Sozialismus verbinden, der die gleichberechtigte soziale Teilhabe für jede und jeden ermöglicht und die Bedingungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit schafft. Mit einem Produktions- und Lebensmodell, das in Einklang mit den natürlichen Lebensgrundlagen steht.

        Ansatzpunkte in und nach der Corona-Krise

        In der Coronakrise ist deutlich geworden, welche Berufe und Tätigkeiten für die Gesellschaft besonders wichtig und versorgungsrelevant sind. Und es ist deutlich geworden, welche brutale Verwüstung die neoliberale Politik z.B. im Gesundheitswesen angerichtet hat. Es ist im Alltag präsenter denn je, dass Privatisierung und herbeigesparter Pflegenotstand eine wesentliche Ursache für den Zustand im Gesundheitswesen sind. Die Corona-Pandemie verdeutlicht, dass Profit und Wettbewerbslogik einer vorsorgenden Gesundheitsversorgung im Wege stehen. Unser Konzept eines nach dem Bedarf ausgerichteten Gesundheitssystems mit öffentlichen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, ausreichendem Personal, besserer Bezahlung und guten Arbeitsbedingungen, finanziert durch eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung wird unterstützt und ist geeignet, breite Bündnisse mit Gewerkschaften, Sozialverbänden und Patientenorganisationen zusammenzubringen.

        Das Gesundheitswesen steht exemplarisch für die Gesamtheit der öffentlichen Gemeingüter, wie Bildung, Kultur, Erziehung, Wohnen, öffentlicher Verkehr, Strom- und Wasserversorgung. Sie müssen in öffentlichem, gemeinnützigem oder genossenschaftlichem Eigentum organisiert werden, unter demokratische Kontrolle und am Bedarf ausgerichtet. Damit verbunden ist ein neues Wohlstandsmodell, eine neues Verständnis von gesellschaftlichem und individuellem Wohlstand: Der gebührenfreie, für alle gleichberechtigte Zugang zu einem ausgebauten Gemeinwesen wird den Wohlstand und die Lebensmöglichkeiten aller verbessern. Das neue, soziale Wohlstandsmodell orientiert sich nicht einfach am BIP oder am Wachstum von Kapital und Profit. Wir brauchen darüber hinaus andere Parameter der Zufriedenheit und des gesellschaftlichen Glücks. Zum Beispiel soziale und ökologische Nachhaltigkeit, die (niedrige) Spreizung von Einkommen, einen (niedrigen) Gini-Koeffizienten als Maßstab für Ungleichheit, die (niedrige) Quote von prekärer Beschäftigung und Löhnen unterhalb der Niedriglohngrenze, die (verringerte) Zahl der Erschöpfungsdepressionen, der gleiche Zugang zu Bildung, die Elternunabhängigkeit des beruflichen Aufstiegs. Nicht zufällig sind das nicht allein im engen Sinne wirtschaftliche Faktoren, sondern solche, die die menschlichen und gesundheitlichen Kosten – und Zugewinne – des Wirtschaftens einbeziehen.

        Wir haben das verschiedentlich als „Infrastruktursozialismus“ bezeichnet. Der Begriff war in der LINKEN nicht immer oder nicht bei allen beliebt. Zwischenzeitlich wird dieser Begriff von Wissenschaftlern wie Nachtweih oder Heckl aufgegriffen. Wolfgang Streeck spricht von Infrastrukturen als „Fundamentalökonomie“, die anderes Wirtschaften erst ermöglicht – und um die die regionale Wirtschaft kreisen müsste. Wir können es auch eine universelle Grundversorgung nennen, auf die alle Bürger*innen ein Recht haben.

        Der Stand der Produktivkräfte, der Reichtum unserer Gesellschaft würde längst ermöglichen, dass das Leben nicht um die Arbeit kreist, sondern die Arbeit um das Leben. Der Kampf um kürzere Arbeitszeiten war immer auch ein kultureller: Es geht um die Eroberung selbstbestimmter Zeit, um ein anderes gleichberechtigtes Verhältnis der Geschlechter, um Emanzipation.

        Basis eines solchen Modells sind sichere Arbeitsplätze, die gut bezahlt werden, tariflich reguliert sind, betriebliche Mitbestimmung garantieren und sinnvolles Arbeiten ermöglichen. Viele haben in der Corona-Krise ihren Dank und ihrer Anerkennung wichtiger Beschäftigungsgruppen, wie Verkäufer*innen, Postboten, Logistik, und Pflege, durch Beifallklatschen ausgedrückt. Diejenigen allerdings, die für bessere Löhne und Tarifverträge sorgen können, dürfen sich nicht hinter preiswertem Lob verstecken. In der Krise ist das Selbstbewusstsein der Beschäftigten gewachsen - es könnte in bessere Organisierung und Kampfbereitschaft umschlagen. Wir wollen das befördern.

        Wie wichtig Sozialsysteme sind und wie schmerzhaft das Fehlen von sozialen Garantien ist, hat die Coronakrise verdeutlicht. In Ländern ohne Kurzarbeitergeld und ohne allgemeine Krankenversicherung, wie den USA, steigen die Krankheits- wie auch die Erwerbslosenzahlen sprunghaft an und Millionen fallen in extreme Not, auch ethnische Spaltungen vertiefen sich. Die Schlangen an den Suppenküchen und Lebensmittelausgaben werden länger und länger. Auch bei uns ist plötzlich deutlich geworden, wo überall Lücken unseres Sozialstaates durch Tafeln, Suppenküchen und die alltäglichen Hilfen im Alltag gestopft werden – und wie existenziell es für die Betroffenen ist, wenn die plötzlich wegfallen. Deshalb muss der Sozialstaat ausgebaut und für alle zugänglich, damit tatsächlich krisenfest gemacht werden. Die Angriffe der Kapitalverbände und ihrer politischen Lobbyisten auf die öffentlichen Kassen werden nicht lange auf sich warten lassen.

        Wir können es drehen und wenden: Die Bewältigung der Klimakrise und die Verhinderung der Erderwärmung über 1,5 Grad bleibt auch nach Corona eine historische Ausgabe. Diese ist ohne einen grundlegenden sozial-ökologischen Systemwechsel nicht zu bewältigen. Die sozial-ökologische Transformation ist die zentrale Herausforderung unseres Jahrhunderts. Sie wird ohne eine weitgehend Emissions-neutrale Ökonomie nicht zu haben sein. Dafür braucht es auch eine Demokratisierung der Wirtschaft selbst und damit auch Eigentumsstrukturen, die öffentliche, genossenschaftliche und belegschaftseigene Beteiligung garantieren, oder wie es Hans-Jürgen Urban sagte: „Nicht Privatkapitalismus, sondern Wirtschaftsdemokratie lautet die Perspektive“.

        Die Kosten eines solchen Umbaus sind enorm. Die Forderungen nach Investitionsprogrammen setzen bereits ein. DIE LINKE will diese Investitionen für den Ausbau der öffentlichen und sozialen Infrastruktur sowie für den klimagerechten Umbau der Wirtschaft verwenden. Das wird einhergehen mit dem Kampf um stärkere Besteuerung der Superreichen und Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Es stehen harte Verteilungskämpfe bevor. DIE LINKE kann hier eine wichtige Funktion in der Verbindung und Organisierung einnehmen: eine verbindende Klassenpolitik entwickeln und den Begriff Solidarität inklusiv fassen.

        Ein sozialökologischer Spurwechsel, ein linker Green New Deal, wird nur gegen die geballte Macht der großen Konzerne und gegen die Kapitalverwertungsinteressen der ökonomisch Mächtigen durchzusetzen sein. Keine Partei schafft das alleine, vielmehr brauchen wir breite Allianzen des Gemeinsamen, ein neues Solidarversprechen der Gesellschaft selbst. Dies auszuarbeiten ist Aufgabe aller progressiven Kräfte in unserer Gesellschaft: Die Gewerkschaften und Sozialverbände, die Kirchen und die Umweltverbände, die Zivilgesellschaft wie die Klimaschutzbewegung und die sozialen Bewegungen. Viele dieser Akteure arbeiten bereits an verschiedenen Kernpunkten des sozial-ökologischen Umbaus. Die Idee eines linken Green New Deal entwickelt weltweit große Anziehungskraft. Damit kann politische Dynamik und Mobilisierung für einen grundlegenden Richtungswechsel in unserer Gesellschaft entstehen. Die Hoffnung ist: Wir sind nicht allein. Zum ersten Mal seit vielen Jahren besteht die Chance für ein gemeinsames weltweites linkes Projekt, das verschiedene Ansätze linker Politik (linkskeynesianische, ökologische, gewerkschaftliche und sozialistische) zusammenbringt und hegemonial macht.

        Hegemoniekämpfe erhöhen die Kriegsgefahr

        Inmitten der größten Pandemie gilt mehr denn je: Jedes öffentliche Gesundheitssystem in dieser Welt ist nur so stark wie sein ärmster Patient. Statt nationalistische Vorteilsnahme müssen gegenseitige Unterstützung und Solidarität die Antwort sein. Aber das Gegenteil passiert: Donald Trump versucht, sein Versagen in der Corona-Krise durch das Schüren von Ressentiments gegen China zu vertuschen. Das ist das Verhalten einer Weltmacht, die an Einfluss und wirtschaftlicher Bedeutung verliert. Die Veränderung bestehender Hegemonialverhältnisse und die Herausbildung einer neuen Weltordnung sind krisenhaft und brandgefährlich. Der US-Militäretat von fast 700 Milliarden Dollar ist höher als der der 15 Länder mit den höchsten Militärausgaben zusammen, dreimal höher als der von China und mehr als zehnmal so hoch wie der von Russland. Trump setzt vor allem auf wirtschaftlichen Protektionismus und unterminiert gezielt die noch bestehenden multilateralen Institutionen wie etwa die UNO oder auch die Weltgesundheitsorganisation WHO.

        Der von den USA angezettelte Handelskrieg mit wechselseitigen Zöllen oder deren Androhung sind Vorboten einer Verschärfung der Konflikte. Regionale Kriege, Konflikte im Nahen Osten und Konflikte innerhalb der NATO (z.B. mit der Türkei) nehmen zu. Ob das die Endmoräne der alten Hegemonie oder schon der Vorbote kommender Konflikte um eine Neuordnung der Welt ist – oder beides – ist noch offen. Sicher ist aber, dass die Kriegsgefahr seit Jahrzehnten nicht so groß war.

        Auch Deutschland und die Europäische Union rüsten auf. Die Verteidigungsministerin kündigt inmitten der Corona-Krise an, 45 atombombenfähige Kampfjets in den USA kaufen zu wollen. Deutschland steigert seine Rüstungsausgaben mehr als jedes anders europäische Land. Für DIE LINKE gilt: wir kämpfen für Friedenspolitik und Abrüstung – jetzt erst recht. Friedenspolitik bedeutet konkret: Abzug der US-Atombomben aus Deutschland. Es bedeutet, sich für ein Ende der Sanktionspolitik gegen Russland einzusetzen und für ein neues System kollektiver Sicherheit in Europa zu werben. Es bedeutet, die Kriegseinsätze der Bundeswehr im Ausland und die unheilvollen deutschen Waffenexporte in die Krisengebiete dieser Welt zu beenden. Friedenspolitik bedeutet konkret: tatsächlich abzurüsten und nicht nur Sonntagsreden darüber zu halten. Wir brauchen einen neuen solidarischen Multilateralismus auf unserer Welt und weniger Waffen. Auch das ist schon jetzt eine Lehre aus der Pandemie.

        Linke Mehrheiten und linke Verantwortung

        Natürlich hat auch unsere Partei in den letzten Jahren die Erosion der verbliebenen Volksparteien und mit ihr die Verschiebungen im Parteiensystem diskutiert. Auch auf unserer Kasseler Zusammenkunft war das ein Thema. Kurzzeitig gab es nach dem Kniefall von CDU und FDP vor der AfD in Thüringen in Wahlprognosen eine Mehrheit links der Unionsparteien. Auf der Strategiekonferenz im Februar wurde vielfach dafür plädiert, in einer solchen Situation aktiv für eine linke Regierung zu werben. Gerade wenn die Grünen zur CDU schwanken und den Pfad einer schwarz-grünen Modernisierung – dann sicher ohne einen nennenswerten sozialen Umbau – wählen wollen, geht es darum, eine soziale Alternative stark zu machen.

        Die Corona-Krise hat zwischenzeitlich die Bundesregierung gestärkt und die Union in neue Höhen geführt, auch die Sozialdemokratie gewinnt dazu, die Grünen verlieren signifikant und die FDP dümpelt knapp oberhalb der 5-Prozent-Hürde. Ob dies ein vorübergehender Zustand ist, der sich ändert, wenn unweigerlich die wirtschaftlichen und sozialen Fragen auf die Agenda kommen, wird auch daran liegen, inwieweit eine solidarische Alternative an Fahrt gewinnt. Schaffen wir es, links der Union einen Weg zur Durchsetzung sozialer Gegenentwürfe aufzuzeigen? Wenn ja, dann kann es gelingen, dass die künftige Normalität keine Rückkehr zum altbekannten Marktfundamentalismus wird, sondern eine neue soziale Demokratie begründet. Eine soziale Demokratie, die ihre Lehren aus der Corona-Krise zieht. Denn schon jetzt ist klar, dass es mit der Union keinesfalls einen solidarischen gesellschaftlichen Aufbruch geben kann.

        DIE LINKE sollte bei den kommenden Bundestagswahlen offensiv das Ziel eines Politik- und Regierungswechsel vertreten. Dabei geht es nicht allein um Koalitions-Arithmetik, nicht zu allererst um rechnerische Mehrheiten, sondern um die Mehrheit für ein politisch linkes Gegenprojekt. Ein solches Projekt wird an der Regierung vor allem dann wesentliche Verbesserungen durchsetzen können, wenn es aus der Gesellschaft Druck bekommt, einen tatsächlichen progressiven Wandel einzuleiten. Wenn eine solidarische Mehrheit an die Möglichkeit der Veränderung glaubt und dafür mehr als nur Parteien einstehen, ist ein solcher Wechsel möglich.

        Die Kräfte unserer Gegner sind groß und ihre mediale und finanzielle Macht ist gewaltig. Jede linke Regierung in Europa hat das bis jetzt erfahren müssen. Deshalb laden wir zu einer gesellschaftlichen Mobilisierung ein. Unser Konzept des sozial-ökologischen Umbaus ist ein politisches Angebot an Gewerkschaften, soziale Bewegungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und natürlich auch an SPD und Grüne.

        DIE LINKE kann gewinnen, wenn sie die Maßstäbe für die Regierungsfrage inhaltlich setzt und realistische Vorschläge eines radikalen Umsteuerns macht. Wir dürfen dabei weder Scheu vor der Verantwortung noch vor dem Risiko des Scheiterns zeigen. Der außerparlamentarische gesellschaftliche Druck und die politische Mobilisierung werden entscheidend dafür sein, ob wir helfen können, die Verhältnisse nach links zu rücken. Weder abstrakte Konstellationsdebatten noch eine abstrakte Verweigerung der Diskussion um gesellschaftliche Mehrheiten helfen wirklich weiter.

        Vor der Corona-Krise galt, dass die nächste Bundestagswahl eine offene Wahl ohne Titelverteidigerin sein wird. Das war die alte Zeit. Wir meinen, auch heute ist noch längst nichts entschieden - trotz der Tatsache, dass laut aktuellen Umfragen die Union als Krisengewinnerin wirkt. Noch sind wir nicht am Ende der Pandemie, sondern mittendrin. Unsere Chancen, solidarisch aus der Corona-Krise herauszukommen steigen, wenn wir offensiv um solidarische Mehrheiten in der Gesellschaft und für eine andere Regierung kämpfen.

        Dass Regierung und Bewegung keine unversöhnlichen Gegensätze sein müssen, zeigt die Erfahrung der LINKEN in Berlin. Auch aus früheren Regierungsbeteiligungen hat die LINKE dort die Lehre gezogen, dass erfolgreiches Regieren vor allem mit einer aktiven, in Bewegungen präsenten Partei möglich ist. So war Mietendeckel und der damit verbundene Eingriff in die Eigentumsrechte der Vermieter nur möglich, weil es eine breite, mobilisierte Mieter*innenbewegung gab und gibt, die LINKE in ihr aktiv ist und die LINKE in der Regierung den Druck der außerparlamentarischen Bewegung nutzt und in eine Politik im Interesse der Mieter*innen umsetzt. Eine solche Politik bietet auch die Chance, die in unserer Partei bislang häufig unversöhnlichen Gegensatz zwischen Kritiker*innen einer Regierungsbeteiligung und den Befürworter*innen konstruktiv aufzulösen, indem alle gemeinsam in und mit Bewegungen an der Verschiebung der Kräfteverhältnisse nach links arbeiten.

        DIE LINKE als Partei in Bewegung

        Die politische Verankerung in der Gesellschaft, in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, die Präsenz in den Stadteilen und Kommunen ist eine wesentliche Basis für die Stärke unserer Partei. Im gesamten Strategieprozess und auch in Kassel gab es unter den Anwesenden einen breiten Konsens, dass wir den begonnenen Weg einer demokratisch-sozialistischen Mitgliederpartei, einer Partei in Bewegung weitergehen wollen.

        Dabei ist es wichtig, über die eigene politische Praxis zu reden, darüber, was viele tausende Mitglieder in der LINKEN machen. Sie tun diese Dinge in oft sehr unterschiedlichen Verhältnissen, in Ost und West, in Stadt und Land, in einkommensarmen Nachbarschaften und Mieter-Inis, in Betriebsgruppen im Krankenhaus oder im Kampf für die Verlängerung einer Buslinie, aus der Situation der Mehrheit in Kommune oder der neu gegründeten Ortsgruppe. Diese unterschiedlichen Erfahrungen und best practice zu verallgemeinern – das geht nur mit gelebter, innerer Solidarität.

        Gesetze werden durch Parlamentsmehrheiten verändert, aber Gesellschaft verändert sich nicht nur im Parlament. Gesellschaft verändert sich durch die Klassenkämpfe und durch die Verknüpfung verschiedener Kämpfe. Hier kann und sollte DIE LINKE weiterhin verbinden, sich kümmern und neue Beziehungen herstellen. Es geht darum, wirtschaftliche und politische Machtverhältnisse infrage zu stellen und reale Verbesserungen im Lebensalltag zu erstreiten.

        Deshalb gilt: DIE LINKE ist nicht nur irgendein Teil eines progressiven gesellschaftlichen Bündnisses. Vielmehr hat sie in einem solchen eine ganz bestimmte Funktion, nämlich die kämpferischen Teile zu stärken. Eine breitenwirksame Mobilisierung, die zugleich die Interessengegensätze in der konkreten Auseinandersetzung um sozial-ökologische Politik mit Kapitalismuskritik verbindet, ist ein notwendiges Merkmal unserer Politik.

        Der Begriff einer verbindenden Klassenpolitik ist für viele in unserer Partei zu einem strategischen Anker geworden. Dazu gehört ein umfassender, inklusiver Begriff der Solidarität, der geeignet ist, die Interessen verschiedener Gruppen der Beschäftigten und Ausgegrenzten zusammenzuführen und ihre Kämpfe miteinander zu verbinden. Dazu gehören ein umfassender Interessenbegriff, der Arbeit und Reproduktion umfasst sowie Kämpfe und Auseinandersetzungen um Mieten, Pflege, Antirassismus. Vielfach entwickelt sich unsere Partei zu einem Ort, in dem die verschiedenen sozialen Gruppen der Gesellschaft zusammenfinden, zusammen Politik machen, kämpfen, feiern, kurzum zu einem Ort der Solidarität.

        Der weitere Aufbau der Partei, die Organisierung in sozialen Brennpunkten, Haustür- und Stadtteilprojekte, der Ausbau der Kampagnenfähigkeit, der Auf- und Ausbau der politischen Bildung, die gezielte Ansprache verschiedener Beschäftigtengruppen, die politische Verankerung in den Gewerkschaften, der Ausbau unserer Position in den Kommunen, die Werbung neuer und die Aktivierung bestehender Mitglieder, ist das Lebenselixier einer sozialistischen Partei. Dazu gehört die Hilfe und das Kümmern um all jene, die sich verlassen und von niemandem mehr repräsentiert fühlen. Dazu gehört die Stärkung feministischer Kämpfe. Dazu gehört, die Partei als einen Ort migrantischer und antirassistischer Selbstorganisation zu begreifen.

        Dazu gehört auch, eine Sprache zu sprechen, die alle verstehen. Und dazu gehört auch ausdrücklich all jenen zuzuhören, die nicht wie wir reden und ihre Wünsche und Nöte zu begreifen. All das sind unerlässliche Elemente einer lebendigen linken Partei. All das tun wir bereits. Aber wir sollten es noch besser machen.

        Dass Produktion und Reproduktion und damit Arbeit und Leben untrennbar zusammenhängen, ist ein breiter Konsens in der LINKEN. Daraus folgt, „das gute Leben für die Vielen“ zu erkämpfen, wie es Bettina Gutperl in Kassel sagte, heißt eben auch um die Aufhebung der Teilung von Leben und Arbeiten zu kämpfen. Nicht alles Politische ist privat, aber Produktion und Reproduktion müssen gleichberechtigt verteilt und in ihrer Logik verändert werden. Dass nur ca. 36 Prozent unserer Mitglieder Frauen sind, ist ein Auftrag das zu verändern. Die Quote hilft, aber es ist auch eine Frage der innerparteilichen Kultur und es Umgangs miteinander.

        Antirassismus und der Kampf gegen Flüchtlingsfeindlichkeit, gegen Nationalismus und Ausgrenzung gehören zum Glutkern einer linken Partei. Aber welche Rolle spielen die hier lebenden Migranten*innen in der LINKEN? In der Strategiedebatte formulierten Linke mit migrantischen Elternhäusern klare Anforderungen: Mehr denn je sollte die Partei Migrant*innen ansprechen, die ein Viertel der bundesdeutschen Bevölkerung ausmachen. Sie sind nicht nur Teil der Arbeiter*innenklasse, oftmals am schlechtesten bezahlt, mit deutlich schlechteren Chancen im Bildungssystem, bei der Wohnungssuche oder bei Arbeitsplatzbewerbungen. Sie müssen sich Alltagsrassismus erwehren und sind nicht ausreichend vor rechtsradikalen Anschlägen und gewalttätigen Übergriffen geschützt.

        Nicht zuletzt aufgrund der jüngsten rassistischen Anschläge sind wir hier mehr denn je gefragt. Es ist die Aufgabe einer linken Partei, mit einer zeitgemäßen Klassenpolitik die Verbindung zwischen jenen herzustellen, deren Eltern schon immer hier lebten, jenen, die hier geboren wurden und jenen, die zu uns gekommen sind. Stehen wir für ein demokratisches Deutschland ein, für ein Land für alle, die hier leben.

        Die Auseinandersetzung um die Frage, wer die Corona-Krise bezahlt, wird sich noch weiter zuspitzen. In dieser Situation sind die sozialen und fortschrittlichen Kräfte in der Gesellschaft gefragt. Wer sich nur im Abwehrkampf befindet, gerät schnell in die Defensive. Deshalb gilt es nicht nur, bestehende soziale Rechte zu verteidigen, sondern für Alternativen zu streiten. Dass die Konservativen und Neoliberalen besonders gut in der Lage wären, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen ist ein Märchen. Die gegenwärtigen Krisen zeigen: Deren Kurs wird unsere Gesellschaft nicht krisenfester machen, sondern uns vielmehr in die nächste Krise steuern, sei es die Klimakrise, eine weitere Wirtschaftskrise, eine verschleppte Corona-Krise oder wachsende Kriegsgefahr. Vielmehr kommt es jetzt darauf an umzusteuern, wirtschaftlich und gesellschaftlich: Wir wollen hin zu Wirtschaftsdemokratie, weg von Profitorientierung und hin zu einer am Gemeinwohl, sozialer Gerechtigkeit und Solidarität orientierten Ökonomie. Dafür brauchen wir Allianzen des Gemeinsamen, aktive soziale Bewegungen und fortschrittliche Parteien, die den Kampf um andere Mehrheiten aufnehmen.

        „Hilfe für Millionäre statt Hilfe für Millionen"

        Hannover, 9. April 2025 – Die Linke Niedersachsen kritisiert den Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Bundesebene als unzureichende Antwort auf zentrale gesellschaftliche Herausforderungen. Aus Sicht der Partei fehlen verbindliche Maßnahmen zur sozialen Absicherung, zum Klimaschutz und zur Bewältigung von Preissteigerungen im Wohn- und Energiebereich.

        „Der Koalitionsvertrag liefert keine Hoffnung auf echte Verbesserungen für die Menschen in unserem Land“,erklärt Thorben Peters, Landesvorsitzender der Linken Niedersachsen. „Er ignoriert die drängenden Probleme unserer Zeit: explodierende Mieten und Preise, den immer weiter bröckelnden gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Zerstörung des Planeten und internationale Krisen.“

        Die Partei äußert sich insbesondere kritisch zur angekündigten Haushaltspolitik. Während im Vertrag die Einhaltung der Schuldenbremse bekräftigt wird, sollen Ausgaben im Verteidigungsbereich weiterhin über Sondervermögen finanziert werden.

        „Das ist sogar aus wirtschaftlicher Perspektive Unsinn. Denn Investitionen in Bildung, Pflege, Wohnraum oder die Infrastruktur kurbeln die Wirtschaft an. Ein kaputter Panzer hingegen findet nie den Weg zurück in den Wirtschaftskreislauf.“

        Als problematisch bewertet Die Linke Niedersachsen auch die geplanten Reformen beim Bürgergeld. Die Partei warnt vor einer Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln und einem erhöhten Sanktionsdruck.

        „Wer in Not gerät, wird künftig noch stärker gegängelt. Das ist keine soziale Sicherung, sondern eine Politik der Kontrolle und Strafe“, sagt Peters. „Gerade jetzt bräuchte es mehr Unterstützung und echte Perspektiven für Menschen, die von Armut betroffen sind.“

        Auch in der Wohnungspolitik sieht die Partei Versäumnisse. Maßnahmen zur Begrenzung von Mietsteigerungen oder zur Ausweitung des gemeinwohlorientierten Wohnungsbaus fehlen aus Sicht der Linken weitgehend.

        „Es fehlt eine klare Strategie gegen die Mietenkrise sowie Wohnungslosigkeit. Wer sich Wohnraum nicht mehr leisten kann, bekommt in diesem Vertrag keine Antwort“, so Peters. „Ein Mietendeckel würde Millionen helfen. Aber statt Hilfe für Millionen finden wir in diesem Papier nur Hilfe für Millionäre.“

        Darüber hinaus warnt die Partei vor den gesellschaftlichen Folgen einer auf Sparpolitik und Aufrüstung ausgerichteten Agenda.

        „Schon jetzt ist klar, dass diese Politik von Militarisierung und Sozialabbau den Rechten den Weg ebnen wird“,sagt Peters. „Wer rechte Mehrheiten verhindern will, muss in großem Stil in sozialen Zusammenhalt und öffentliche Infrastruktur investieren.“

        Die Linke Niedersachsen fordert stattdessen eine stärkere Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums, die Einführung einer Vermögenssteuer und eine Reform der Schuldenbremse. Peters betont abschließend:

        „Wir stehen an der Seite derer, die diese Politik ausbaden müssen: der Pflegekräfte, der Alleinerziehenden, der Mieterinnen, der Geflüchteten und der arbeitenden Menschen. Dieser Koalitionsvertrag lässt sie im Stich – wir nicht.“